Unser Interviewpartner:
Diplom-Wirtschaftsjurist (FH) und Steuerberater Dirk Kremer ist neben seiner Anstellung in einer mittelständischen Steuerberatungsgesellschaft in der eigenen Kanzlei tätig. Nach seiner Ausbildung zum Steuerfachangestellten absolvierte er ein Studium zum Diplom-Wirtschaftsjuristen (FH) mit dem Schwerpunkt Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Im Anschluss legte er die Steuerfachwirt- sowie die Steuerberaterprüfung vor der Steuerberaterkammer ab.
Sehr geehrter Herr Kremer, Sie sind seit 2012 als Steuerberater tätig. Skizzieren Sie bitte Ihren bisherigen beruflichen Werdegang.
Dirk Kremer: Mein beruflicher Werdegang begann im Jahr 2001 mit der Ausbildung zum Steuerfachangestellten in einer kleinen Steuerberatungskanzlei. Nach Bestehen der Abschlussprüfung im Sommer 2004 wurde ich dort als Angestellter übernommen. Zeitgleich bot die Rheinische-Fachhochschule Köln einen Studiengang zum Wirtschaftsjuristen an, welchen ich im Herbst 2004 neben meiner beruflichen Tätigkeit aufnahm.
Zum 01.01.2008, kurz vor Beendigung des Studiums, wechselte ich in eine mittelständische Steuerberatungsgesellschaft, in der ich sowohl in meiner Fortbildung zum Steuerfachwirt (Abschluss in 2009) als auch zum Steuerberater (Abschluss in 2012) unterstützt wurde.
Seitdem bin ich, neben meiner Tätigkeit als angestellter Steuerberater, auch in eigener Kanzlei selbstständig tätig.
Die Prüfung zum Steuerberater gilt als eines der schwersten Examen in Deutschland. Was raten Sie angehenden Prüflingen, vor allem jenen, die noch keine jahrelange Erfahrung im Steuerwesen haben, für die Vorbereitung? Wie haben Sie sich selbst vorbereitet?
Dirk Kremer: Die Prüfungsergebnisse werden regelmäßig in den „Kammermitteilungen“ der Steuerberaterkammer veröffentlicht. In der Regel liegt der Anteil derer, die sowohl die schriftliche als auch anschließend die mündliche Prüfung bestehen, bei rund 50 %.
Es gibt diverse Lehrgangsveranstalter, die in verschiedenen Formen gezielt auf die Prüfungen vorbereiten. Ich selbst habe bei der Steuer-Fachschule Dr. Endriss den sogenannten „Samstaglehrgang“ zur Vorbereitung genutzt, in dem neben dem Unterricht auch Probeklausuren geschrieben wurden. Kurz vor der Prüfung absolvierte ich zudem noch einen „Intensiv-Klausurenlehrgang“, in dem an insgesamt 18 Vormittagen jeweils eine 6-stündige Klausur geschrieben wurde, die nachmittags ausführlich besprochen wurde.
Um auch für die mündliche Prüfung vorbereitet zu sein, besuchte ich bei der Steuerfachschule Endriss zudem den entsprechenden Vorbereitungskurs.
Neben dem oben genannten Anbieter und den vorgenannten Lehrgängen gibt es natürlich noch andere Formen und Dienstleister, die auf die Prüfung vorbereiten. Ich würde jedem dringend davon abraten, die Steuerberaterprüfung ohne einen solchen Lehrgang anzugehen. Es war nicht nur die Theorie, die mir dort vermittelt wurde. Hilfreich war vor allem auch der Austausch mit den Kollegen und den Dozenten. Letztere konnten aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung wertvolle Hinweise zum praktischen Ablauf der Prüfung geben.
Das Berufsfeld „Steuern“ gilt als eher eintönig. Was macht den Beruf des Steuerberaters aus Ihrer Sicht dennoch attraktiv?
Dirk Kremer: Mit genau diesem „Vorurteil“ bin ich im Jahre 2001 auch in die Ausbildung gestartet. Wie sich allerdings herausstellte, sah die Praxis spannender aus, als ich vermutet hatte.
Das Berufsfeld ist tatsächlich so abwechslungsreich und vielfältig, wie es die Mandanten und deren Angelegenheiten sind. Es beginnt mit dem klassischen Einkommensteuer-Fall, in dem es dem Mandanten darum geht, welche Ausgaben er als Werbungskosten absetzen kann, über die Betreuung von mittelständischen Unternehmen, die beispielsweise Fragen zur umsatzsteuerlichen Behandlung ihrer Leistungen haben, die nun auch an Kunden im Ausland erbracht werden sollen, bis hin zu Konzernen, deren steuerliche Themen auf internationaler Ebene betrachtet und geprüft werden müssen.
In vielen Fällen benötigen Mandanten auch einfach nur Hilfe bei der Kommunikation mit dem Finanzamt, da die Behördensprache für den durchschnittlichen Steuerbürger oft unverständlich ist.
Zudem geht es in fast allen Mandantenangelegenheiten um das Thema Geld. Ein sensibles Thema, worüber man, gerade hierzulande, in der Regel nicht mit jedem spricht. Dem Steuerberater wird an dieser Stelle ein enormer Vertrauensvorschuss gewährt, da dieser grundsätzlich die gesamten Hintergründe eines Mandats kennen sollte, um tätig zu werden. Er erlangt dadurch einen tiefen Einblick in das Leben seiner Mandanten.
Letztlich ist es jedoch der persönliche Umgang und der Kontakt mit dem Menschen, der diesen Beruf attraktiv macht.
Welche Eigenschaften, persönlich wie fachlich, sollten angehende Steuerberater für den Beruf mitbringen?
Dirk Kremer: Der Berufsalltag verlangt neben der fachlichen Qualifikation eine Reihe persönlicher Eigenschaften, sog. „Soft Skills“. Hierzu gehören persönliche Eigenschaften wie Verschwiegenheit, Gewissenhaftigkeit und Belastbarkeit. Aber auch der zwischenmenschliche Umgang mit dem Mandanten und den Mitarbeitern muss beherrscht werden. Hierzu ist ein gewisses Maß an Empathie unabdingbar. Die Fähigkeit jemandem zuzuhören, ihn zu verstehen oder zumindest nachvollziehen zu können, was dieser meint, sich in jemanden hineinzuversetzen, um ihm auch gegebenenfalls einen Lösungsweg aufzeigen zu können, ist für Steuerberater ebenfalls von großer Bedeutung.
Als Steuerberater arbeitet man selbstständig und eigenverantwortlich. Von daher ist es wichtig, dass man in der Lage ist, sich selbst zu organisieren, seinen Tagesablauf zu planen, das Geschäft zu planen, eventuell seine Mitarbeiter zu dirigieren und motivieren und vor allem, für seine Mandanten ein zuverlässiger Partner zu sein.
Fachlich sollte eine gewisse Zahlenaffinität gegeben sein. Es bedarf zwar keiner hochmathematischen Fähigkeiten wie einer Kurvendiskussion oder komplizierten Wurzelberechnungen, aber die Berechnung der ein oder anderen betriebswirtschaftlichen Kennzahl in Form eines Dreisatzes sollte beherrscht werden. Prozent- oder Bruchrechnung ist Grundvoraussetzung.
Grundlegende betriebswirtschaftliche Kenntnisse gehören genauso zum Berufsbild wie die Beherrschung der deutschen Sprache. Der Steuerberater muss in der Lage sein, seinen Mandanten in einfachen Worten zu vermitteln, was der Gesetzgeber in komplizierter Formulierung ins Gesetz geschrieben hat. Nicht selten kommen Verklausulierungen oder Querverweise im Gesetz vor, die die ohnehin schon komplizierte Gesetzeslage noch unverständlicher machen.
Das Klischee, das ein Steuerberater nur Belege zuordnet und prüft, ist natürlich zu eindimensional. Wie sieht der Alltag eines Steuerberaters in Wirklichkeit aus?
Dirk Kremer: Grundsätzlich stellen bei den meisten Steuerberatern Aufgaben wie Finanz- oder Lohnbuchhaltung sowie der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen das Kerngeschäft dar.
Daraus ergeben sich weitere Beratungsfelder. Beispielsweise, wenn der Senior eines Betriebs die Unternehmensnachfolge plant und Vermögen möglichst steuerneutral auf die nächste Generation übertragen werden soll.
Der Steuerberater kann Partner der Mandanten im Bankgespräch sein, wenn diese einen Kredit zur Erweiterung des Geschäftsbetriebs benötigen oder eine konjunkturelle Tiefphase überbrücken müssen. Oftmals verlangen Banken heutzutage weiterreichendere Unterlagen als die aktuelle Betriebswirtschaftliche Auswertung oder die letzten Bilanzen. In vielen Fällen müssen dann Businesspläne erstellt werden, bei deren Erstellung der Steuerberater Hilfestellung geben kann.
An dieser Stelle möchte ich daraufhin weisen, dass es nicht „den“ Steuerberater gibt.
Der Steuerberater in einer der großen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zum Beispiel wird von den vorgenannten Aufgaben im Zweifel mal gehört haben. Dessen Alltag weicht aber deutlich von dem oben beschriebenen ab. Dort liegt das Augenmerk meist auf der Beratung großer Konzerne oder börsennotierter Unternehmen. Hier werden steuerliche Fragestellungen erörtert, Gutachten verfasst und Gestaltungsempfehlungen ausgegeben. Nicht selten sogar in Abstimmung mit der Finanzverwaltung.
Eines wird aber in beiden Tätigkeitsbereichen gleich sein. Sowohl durch die Erwartungshaltung der Mandanten, die eigene Erwartungshaltung aber auch durch die Vielzahl an Terminsachen steht der Steuerberater regelmäßig unter Termin- beziehungsweise Zeitdruck. Und mit diesem muss man lernen, umzugehen.
In welchen Tätigkeitsfeldern und Branchen können Steuerberater beschäftigt sein?
Dirk Kremer: Neben den Kollegen in eigener Kanzlei oder Sozietät kann es vorkommen, dass sich Steuerberater bei Berufsangehörigen anstellen lassen. Darüber hinaus ist es dem Steuerberater erlaubt, als sogenannter Syndikus-Steuerberater in einem Wirtschaftsunternehmen angestellt zu sein.
Das Berufsrecht verbietet es der Steuerberaterschaft, in jeglicher Art und Weise gewerblich tätig zu werden oder sich an einem Handelsgeschäft zu beteiligen.
Daneben regelt das Berufsrecht jedoch auch die sogenannten Vereinbaren Tätigkeiten, also solche Tätigkeitsfelder, die mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar sind. Dazu zählen zum Beispiel die Tätigkeit als Mediator, die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger aber auch die Tätigkeit als Betreuer oder Vormund.
Darüber hinaus ist es dem Steuerberater gestattet, als Insolvenzverwalter Mitglied eines Aufsichtsrats oder Beirats tätig zu werden oder die Aufgabe des Liquidators einer zu liquidierenden Gesellschaft zu übernehmen.
Von Jahr zu Jahr gibt es Änderungen im deutschen und europäischen Steuersystem. Wie schaffen Sie es, immer auf dem Laufenden zu bleiben? Lässt sich das Themengebiet „Steuern“ überhaupt in Gänze beherrschen oder ist eine Spezialisierung sinnvoll?
Dirk Kremer: Nach § 57 Abs. 2a des Steuerberatungsgesetzes sind Steuerberater verpflichtet, sich fortzubilden. Dies kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Einen großen Stellenwert genießt sicherlich die einschlägige Fachliteratur, die zumeist wöchentlich erscheint, und für jeden Steuerberater Pflichtlektüre darstellt. Darüber hinaus werden von diversen Anbietern Fortbildungsveranstaltungen in Form von Präsenz- oder Onlineseminaren angeboten. Auch die Steuerberaterkammern informieren regelmäßig über die wesentlichen Änderungen im Steuerrecht.
Das Themengebiet „Steuern“, wenn es als solches überhaupt greifbar ist, ist nicht in Gänze beherrschbar. Dafür sind zum einen die Steuerarten zu zahlreich, zum anderen kann die jeweilige Steuerart sehr umfangreich und tief greifend sein.
Ich halte es daher stets für sinnvoll, wenn sich Berufskollegen fachlich ergänzen, abhängig von ihrem Neigungsschwerpunkt. Ob dies in Form einer Sozietät oder auf Grundlage eines Beraternetzwerks geschieht, ist dabei nachrangig. Auf diese Art kann sichergestellt werden, dass der Mandant eine qualitativ hochwertige Beratung erhält.
Die Notwendigkeit der Spezialisierung und Fortbildung spiegelt sich auch darin wider, dass viele Steuerberater in den letzten Jahren zunehmend eine Weiterbildung zum Fachberater absolviert haben. Beispielsweise für Insolvenzverwaltung, Unternehmensnachfolge oder internationales Steuerrecht.
Wie sehen Sie die Berufsaussichten für Steuerberater? Wie werden sich Berufsfeld und Tätigkeiten des Steuerberaters in Zukunft ändern?
Dirk Kremer: Die Berufsaussichten sehe ich durchaus positiv. In der Praxis sieht man immer wieder, dass der Beratungsbedarf gegeben ist und eher zu- als abnimmt. Dieser Umstand ist sicherlich zum einen auf unseren Steuergesetzgeber zurückzuführen, der nicht müde wird, neue Gesetze zu erlassen oder bestehende Gesetze zu ändern. Andererseits befinden wir uns in einer Zeit, in der die europäischen Staaten mehr und mehr zusammenwachsen. Das führt dazu, dass zunehmend auch ausländische Personen und Unternehmen einen gewissen Beratungsbedarf haben werden. Diesen Beratungsbedarf sehen wir beispielsweise verstärkt auch heute schon bei inländische Unternehmen, die im Ausland neue Märkte erschließen möchten. Ich gehe davon aus, dass die größte Veränderung im Berufsbild des Steuerberaters eben in dieser Internationalisierung liegen wird.
Vielen Dank Herr Kremer für das Interview.